ABC des Marxismus XLVII: Was ist der Anarchismus?

Unter Anarchismus wird oft Chaos oder Unordnung verstanden. Selbst Marx sprach vom anarchischen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise. Doch Anarchie – aus dem Griechischen kommend – bedeutet Herrschaftslosigkeit. Anarchie bezeichnet also Verhältnisse ohne Unterdrückung und Ausbeutung. Da diese mit dem Wirken des Staatsapparats verbunden ist, vertritt der Anarchismus die These, dass jede Art von Staat überwunden werden müsse. Da der Staat ein Instrument zur Verteidigung und Organisation des Privateigentums ist, wendete sich der Anarchismus meist auch gegen das Privateigentum an Produktionsmitteln, das von einem demokratisch-föderalen System aus selbstverwalteten bzw. genossenschaftlichen Strukturen abgelöst werden soll. Es gibt aber auch „liberale“ Milieus im Anarchismus, die sich nicht grundsätzlich gegen das Privateigentum wenden und eher reformistischen Charakter haben.

Der Anarchismus ist keine einheitliche Strömung, besteht aus verschiedenen Richtungen und hat sich im Laufe der Geschichte verändert. Verkörperte er – weltweit gesehen – ursprünglich die stärkste Kraft der sozialistischen und Arbeiterbewegung, so hat er diese Rolle ab Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr an die sozialdemokratische, anfänglich tw. „marxistische“ Bewegung abgetreten. Mit dem Vordringen des Reformismus in der Sozialdemokratie stand der Anarchismus zunehmend in Opposition zu ihr. Der Leninismus – insoweit er schon Elemente des Stalinismus enthielt (Überbetonung von Partei und Staat) – und Stalins Politik führten zu einer tiefen Entfremdung zwischen dem „Marxismus“, der aber in Gestalt von Sozialdemokratie und Stalinismus zu einer Karikatur auf Marx´ Ideen degeneriert war, und dem Anarchismus.

Seine größte historische Chance erhielt der Anarchismus in der Spanischen Revolution 1936 – und er verspielte sie. Von dieser Niederlage und seiner Unfähigkeit, aus Niederlagen zu lernen und sich konzeptionell weiter zu entwickeln, hat er sich nie erholt. Heute existiert der Anarchismus als subjektiv antikapitalistisch-revolutionäre Kraft, oft aber auch nur als sozio-kulturelles linkes Milieu (autonom-libertäre Linke), das mit der Arbeiterklasse und mit Klassenkampf wenig zu tun hat. Die historisch wichtigsten Ausprägungen des Anarchismus sind der auf die Gewerkschaften orientierte Anarcho-Syndikalismus und der Anarcho-Kommunismus (Bakunin, Kropotkin u.a.), zwischen denen es größere Schnittmengen gibt. Wie der Marxismus hat auch der Anarchismus eine Jahrzehnte lange Degeneration hinter sich.

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Thesen zum Bürgerkrieg in Spanien

Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD), dt. Sektion der IV. Internationale, aus: Unser Wort, Januar 1938, Halbmonatsschrift der IKD

Vorwort der Redaktion: Wir dokumentieren den nachfolgenden Text, weil er eine gute Zusammenfassung und marxistische Bewertung der Ereignisse der Spanischen Revolution bietet. Zudem gibt er einen Einblick in die Debatten und Positionen innerhalb der Linken der damaligen Zeit und vermittelt zentrale Lehren zur revolutionären Strategie und Taktik für heute.

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Die Spanische Revolution (6/6)

Die Kollektivierung der Industrie

Hanns Graaf

Die kollektivierten Betriebe produzierten mehr als vor der Kollektivierung, v.a. im Rüstungssektor, wo die Produktion um 30-40% stieg. Im September 1936 gab es 25 Rüstungsfabriken, im Juli 1937 bereits 300 und 1938 tausende. Insgesamt waren etwa 3 Millionen in ländliche oder städtische Kollektivunternehmen eingebunden (bei ca. 25 Mill. Einwohnern). Auch im Dienstleistungssektor gab es einen Produktivitätszuwachs. In den Verkehrsbetrieben Barcelonas etwa fuhren 100 Straßenbahnen mehr als zuvor, die Eigenproduktion von Ausrüstungsgegenständen stieg von 2 auf 98%. Die selbstgebauten Wagen waren leichter und größer als die alten, so dass die Einnahmen um 15-20% gesteigert werden konnten, obwohl die Fahrpreise heruntergesetzt worden waren. In den befreiten Gebieten trafen Räte und Versammlungen Entscheidungen – ohne eine separate Bürokratie.

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Die Spanische Revolution (5/6)

Die Kollektivierung auf dem Land

Hanns Graaf

Beiträge über die Ereignisse in Spanien von 1936-39 betrachten meist den Bürgerkrieg und die verschiedenen politischen Kräfte. Weniger Beachtung finden aber die sozial-ökonomischen Umbrüche in jenen Gebieten, wo die ArbeiterInnen und Bauern den bürgerlichen Staat zerschlugen bzw. entmachteten, das Privateigentum enteigneten und das soziale und ökonomische Leben gemeinschaftlich regelten. Deshalb wollen wir hier diese Veränderungen, besonders das Entstehen kollektiver bzw. genossenschaftlicher Wirtschaftsformen auf dem Land – was in diesem 5. Teil unserer Artikelserie geschieht – und in der Industrie genauer beleuchten. Das scheint uns auch deshalb interessant, weil sie einen Vergleich mit den Ereignissen der Russischen Revolution von 1917 und der Politik der Bolschewiki erlauben.

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Die Spanische Revolution (4/6)

Die Rolle der POUM

Hanns Graaf

Die POUM (Partido Obrero de Unification Marxista, Arbeiterpartei der marxistischen Vereinigung) wurde oft als „trotzkistisch“ bezeichnet. Der Grund dafür war, dass sich die POUM positiv auf die russische Revolution, die Politik der Bolschewiki und Trotzkis Strategie der Permanenten Revolution bezog – also einen revolutionär-kommunistischen Anspruch hatte.

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Die Spanische Revolution (3/6)

Anarchismus und Staat

Hanns Graaf

Im Unterschied zu allen anderen politischen Kräften der Arbeiterklasse in Spanien verfügten die AnarchistInnen schon vor 1936 über eine Massenbasis. Angesichts dessen, dass die stalinistische KP mit ihrer Volksfrontpolitik jeden Fortschritt der Revolution bekämpfte, die zentristische POUM nur auf Teile der Massen Einfluss hatte (was mit ihrer schwankenden und zögerlichen Politik zusammenhing) und die TrotzkistInnen überhaupt nur über sehr marginalen Einfluss verfügten, waren die AnarchistInnen, hinter der die Mehrheit der Arbeiterklasse und erhebliche Teile der armen Landbevölkerung standen, letztlich objektiv entscheidend für Wohl oder Wehe der Revolution.

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Die Spanische Revolution (2/6)

Volksfront vs. Revolution

Hanns Graaf

Die mit den Wahlen im Februar 1936 an die Macht gekommene Volksfrontregierung setzte sich aus mehreren kleinen bürgerlichen Parteien, der Sozialdemokratie PSOE und der stalinistischen KP zusammen. Sie war Ausdruck eines zeitweiligen Patts der Klassenkräfte. Einerseits drängte das Proletariat zur Macht und begann, eigene Machtorgane – Räte, Generalstreikkomitees und Milizen, Genossenschaften – zu bilden, die meist unter Führung der AnarchistInnen standen. Doch diese Ansätze litten unter Führungen, die unwillig oder außerstande waren, die gesamte Macht auf nationaler Ebene zu ergreifen.

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Die Spanische Revolution (1/6)

Der Weg zur Revolution

Hanns Graaf

Die Spanische Revolution erlebte 1936 mit dem Massenaufstand der ArbeiterInnen und Bauern gegen den blutigen Militärputsch General Francos ihren ersten Höhepunkt. Sie ist eine verratene, verleumdete, vergessene Revolution. Oft ist vom „Spanischen Bürgerkrieg“ die Rede und nicht von einer Revolution. Statt vom Kampf des Proletariats um die Macht und den Weg zu einer neuen Gesellschaftsordnung wird der Konflikt meist nur als einer zwischen Demokratie und faschistischer Diktatur dargestellt.

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