Davids Enkeln

Hanns Graaf

Festgeschnallt Ihr in F 16-Maschinen.
Rasend. Ein Davidstern, den man erkennt.
Ihr kreist über Häusern mit steinernen Minen.
Unter Euch Gaza: ´s Schtetele brennt!

´s brennt wie der Leuchter mit sieben Armen.
So hat das Warschauer Ghetto gebrannt.
In Glaskanzeln hockt ihr ohne Erbarmen,
Ohne Erinnern an Widerstand.

Zertrümmern und töten. Rauchschwaden ziehen
Wie über die Lager einst: gelblich und bleich.
Ummauert, umdrahtet. Es gibt kein Entfliehen.
Heiliges Land – der Hölle gleich.

Ihr, die Vertriebenen, wurdet Vertreiber.
Blutrote Rosen – so keimt Eure Saat!
Städte verschlingend und Gärten und Leiber:
So nährt sich Goliath – Israels Staat.

Anmerkung:

Das Gedicht entstand im Januar 2009 während des Krieges Israels gegen Gaza. „´s Schtetele brennt“ ist jiddisch und kommt im Lied „s brennt“ von Mordechaj Gebirtig (1877-1942) vor, das er 1938 nach einem Pogrom in Przytyk schrieb.

ABC des Marxismus Teil VI: Was ist Judenunterdrückung?

Judenunterdrückung und -vernichtung haben im 20. Jh. grausame Formen angenommen. Judenverfolgungen gab es aber schon viel früher und leider wird es sie noch so lange geben, wie es Kapitalismus gibt. „ABC des Marxismus Teil VI: Was ist Judenunterdrückung?“ weiterlesen

Berlin. Friedhof Friedrichsfelde

Hanns Graaf

Schnee,
Ein Schleier, über euch.
Zwei Meter Erde und darauf-
Gewälzt ein Felsen
Noch von

Denen.

Schleifen,
Wo geschleift einst
Van der Rohes
Barrikade: Vor-
Standskränze.

Alles habt ihr
Abgelegt
Längst:
Alles.

Langer
Abmarsch. Rückzug

Vor
Visieren: dünne
Weiße Atem-
Fahnen.

Anmerkung:

Der Text entstand 1993 nach der Teilnahme an der Ehrung für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor ihren Gräbern in Berlin-Friedrichsfelde. Ursprünglich stand dort ein von Mies van der Rohe im Stil einer Barrikade entworfenes und aus Spenden von Arbeitern finanziertes Denkmal. Es wurde von den Nazis zerstört und von den Stalinisten nicht wieder aufgebaut. Während der Demonstration kam es zu Angriffen durch die Polizei.

ABC des Marxismus Teil V: Was ist die „Diktatur des Proletariats“?

Der Begriff “Diktatur” weckt negative Assoziationen. Wir sind dabei an undemokratische, unterdrückerische Verhältnisse erinnert, an den Stalinismus oder den Faschismus. Doch die Diktatur des Proletariats – auch Arbeiterstaat, Räterepublik oder Übergangsgesellschaft genannt – ist das Gegenteil solcher Diktaturen. „ABC des Marxismus Teil V: Was ist die „Diktatur des Proletariats“?“ weiterlesen

Thesen zur Energiewende

Die Energiewende eine reaktionäre Utopie

Hanns Graaf

1. Die unter dem Motto „Energiewende“ (EW) stattfindende Umstrukturierung des Energiesektors in Deutschland und wenigen anderen Ländern begann in den 1990ern. Ihr Ziel ist die Ersetzung der Energieerzeugung aus fossilen Quellen, v.a. der Kohleverstromung, sowie der Kernkraft durch  „erneuerbare Energien“ (EE) v.a. aus Wind, Sonne und Biomasse. Niemand bezweifelt, dass das Energiesystem immer weiter verbessert werden muss – angezweifelt werden muss aber die konkrete Politik der EW, ihre Mittel, Methoden und Ziele. „Thesen zur Energiewende“ weiterlesen

Faktenresistenz als Methode

Hanns Graaf

Die Gruppe Arbeitermacht (GAM) veröffentlichte am 16.11.16 auf ihrer Homepage (www.arbeitermacht.de) einen Artikel zum Klimagipfel COP 22 in Marrakesch („Taktieren im Angesicht der Katastrophe“). Wir wollen im Folgenden auf die Argumente und Positionen der GAM eingehen, weil in ihnen zentrale Ansichten auftauchen, die sehr häufig in der linken Szene vertreten werden. „Faktenresistenz als Methode“ weiterlesen

ABC des Marxismus Teil IV: Was sind Gewerkschaften?

Die ersten Gewerkschaften entstanden im 19. Jahrhundert. Sie waren Zusammenschlüsse von Lohnabhängigen im Kampf gegen das Kapital. Aus der täglichen Erfahrung lernten die ArbeiterInnen, dass sie die Konkurrenz untereinander überwinden müssen, um den Unternehmern Paroli bieten zu können. Sie erkannten, dass sie als Verkäufer ihrer Arbeitskraft, auf die der Kapitalist angewiesen ist, über eine wirksame Waffe verfügen: den Streik. „ABC des Marxismus Teil IV: Was sind Gewerkschaften?“ weiterlesen

Alten Freunden

Hanns Graaf

Wisst ihr noch, wie oft wir warn gesessen
Hier im grauen Hof, im gelben Licht?
Hatten alle Zeit im Kopf durchmessen
Bis zum Dämmern. Habt ihr das vergessen?
Sagt, warum erinnert ihr euch nicht?

Spürt ihr noch das rauhe Holz, ihr Hände?
Wie viel Gläser sind uns drauf zerschellt!
Ob die derben Sprüche ich noch fände,
Die wir eingekratzt in blasse Wände,
Denen nun der letzte Putz abfällt.

Wisst ihr noch: die dunkelroten Weine
Stiegen uns zu Kopf. Ein Taumel Glück.
Wälzten Theorie wie schwere Steine,
Stritten uns und kamen nie ins Reine.
Nein, ich nehm noch heut kein Wort zurück!

In den kahlen Ranken der Taverne
Grinsen im Gezweig wie Ironie
Bleiche Lampions wie fahle Sterne.
Dass wir einig wärn in Zukunftsferne,
War wohl unsre größte Utopie.

Seid zu Haus in andrer Herren Länder,
Wo ich euch bis jetzt nicht wieder fand.
Tragt die Haare anders, die Gewänder.
Fremd klingt euer Wort im fremden Sender.
Hab euch nur am Namen noch erkannt.

Kies zerknirscht mir unter meinen Sohlen.
Schnellbahnlärm. Ein Hund, der Reste frisst.
Hab nichts zu bestellen. Unverhohlen
Schaut der Kellner. Will den Mantel holen,
Den der Kleiderständer schwarz gehisst.