Fragen zum Imperialismus

Hanns Graaf

Vorbemerkung: Der folgende Beitrag ist eine Antwort auf den Kommentar von Jan Müller vom 18. April zu meinem zweiteiligen Artikel „Der Spätimperialismus“. Aufgrund der Vielzahl und Komplexität der angesprochenen Fragen erfolgt meine Antwort nicht ebenfalls in Form eines Kommentars, sondern als Artikel.

Zunächst einmal sei ein Dank für die sachliche Art der Kritik vorweg geschickt. Jan Müller (JM) betont: „Im Allgemeinen hast du meiner Meinung nach die Grundtendenzen der gegenwärtigen Epoche zutreffend erkannt.“ Die Kritik von JM betrifft insgesamt 5 inhaltliche Komplexe.

1. Die Krise der Linken

JM schreibt: „Der Zusammenbruch des realen Sozialismus war nicht nur mit der Niederlage jener Teile der Linken und der Arbeiterbewegung verbunden, die sich positiv auf ihn bezogen. Er betraf alle Linke. Auch diejenigen Strömungen wurden für seine Fehler und Stalins Verbrechen in Mithaftung genommen, die diese kritisiert und vor einem Zusammenbruch des Sozialismus gewarnt hatten.“

Natürlich hat JM hier recht, wenn er betont, dass von den Ereignissen ab 1989 alle Teile der Linken und die Arbeiterbewegung insgesamt betroffen waren und nicht nur das stalinistische Milieu. Dieses aber besonders. Doch dass auch die anti-stalinistische Linke mit in den Abwärtsstrudel gerissen wurde oder nicht stärker vom Kollaps des Stalinismus profitieren konnte, hat andere Gründe. Sie hatte programmatisch zu wenig Substanz. Zudem war sie nominell zu schwach, zu zersplittert und bis zur Wende in Ostdeutschland nicht vertreten.

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Das Machtkartell

Hanns Graaf

Es ist ein Gemeinplatz des Marxismus, dass Staat und Regierung Machtinstrumente der herrschenden Klasse sind. Er hat die Funktion eines „ideellen Gesamtkapitalisten“. Immer – und mit vollem Recht – hat der Marxismus die These abgelehnt, dass der Staat ein neutrales, über den Klassen stehendes Instrument sei, das den Interessen aller Menschen dienen würde und a priori für das soziale Zusammenleben unverzichtbar sei. Marx und Engels hoben – im Anschluss an die Erkenntnisse der bürgerlichen Wissenschaft (Morgan) – demgegenüber hervor, dass der Staat ein historisches Produkt der Arbeits- und Klassenteilung und der Produktivkraftentwicklung war und im Zuge der weiteren Entwicklung der Produktivkräfte gen Kommunismus „absterben“ könne und müsse.

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Problematische Mitte – Ein Beitrag zur Klassenanalyse (Teil 3 von 3)

Hanns Graaf

Die Ideologie der Mitte

Viele Ideologien und Bewegungen der Gegenwart wie etwa der Feminismus, der Ökologismus oder der Demokratismus sind oft nicht wesentlich Ausdruck des Proletariats oder des Kapitals – höchstens indirekt -, sondern der Mittelschichten.

Wie können wir erklären, dass Ideologien und Bewegungen der Mittelklassen oft einen solchen Einfluss erlangen?

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Problematische Mitte – Ein Beitrag zur Klassenanalyse (Teil 2 von 3)

Hanns Graaf

Hinsichtlich der Mittelschichten wollen wir zunächst die Kategorien klären. Zu den Mittelschichten gehört einmal traditionell das Kleinbürgertum. Das sind Besitzer von Produktionsmitteln, welche die Ausbeutung von Lohnarbeit in geringem Umfang ermöglichen (was oft „Selbstausbeutung“ einschließt). Dazu zählen v.a. selbstständige Bauern, Handwerker, kleine Händler und Ladenbesitzer sowie diverse „freie Berufe“. Ihre soziale Stellung (hinsichtlich ihres Einkommensniveaus) kann um ein Mehrfaches besser sein als das von durchschnittlichen ArbeiterInnen, es kann aber auch darunter liegen.

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Problematische Mitte – Ein Beitrag zur Klassenanalyse (Teil 1 von 3)

Hanns Graaf

Vor über 170 Jahren beschrieben Marx und Engels im „Kommunistischen Manifest“ die Veränderung der Sozialstruktur des Kapitalismus: „In den Ländern, wo sich die moderne Zivilisation entwickelt hat, hat sich eine neue Kleinbürgerschaft gebildet, die zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie schwebt und als ergänzender Teil der bürgerlichen Gesellschaft stets von neuem sich bildet, deren Mitglieder aber beständig durch die Konkurrenz ins Proletariat hinabgeschleudert werden, ja selbst mit der Entwicklung der großen Industrie einen Zeitpunkt herannahen sehen, wo sie als selbständiger Teil der modernen Gesellschaft gänzlich verschwinden und im Handel, in der Manufaktur, in der Agrikultur durch Arbeitsaufseher und Domestiken ersetzt werden.“

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