Staatskapitalismus statt Sozialismus (Teil 1 von 2)

Ein Beitrag zur Konzeption einer nachkapitalistischen Wirtschaft

Hanns Graaf

Schon Anfang und Mitte der 1920er Jahre begann in der internationalen Linken eine Diskussion über den Klassencharakter der UdSSR. Mit dem Aufstieg Stalins und der Etablierung jener Strukturen, die wir heute „Stalinismus“ nennen, spitzte sich diese Diskussion noch zu. Die einen sahen die UdSSR als mehr oder weniger „sozialistisch“ an, andere, v.a. Trotzki, bezeichneten sie als „degenerierten Arbeiterstaat“, wieder andere, darunter z.B. RätekommunistInnen und AnarchistInnen, verstanden die UdSSR als Staatskapitalismus. Bis heute trennt die Frage der Charakterisierung der UdSSR und des „Ostblocks“ die Linke in gegensätzliche Lager. „Staatskapitalismus statt Sozialismus (Teil 1 von 2)“ weiterlesen

Fundstück XIV

Die Phänomene der Radioaktivität führen uns zu dem Problem der Freisetzung inneratomarer Energie. Das Atom enthält in sich eine gewaltige verborgene Energie, und die größte Aufgabe der Physik besteht darin, diese Energie freizusetzen, den Korken herauszuziehen, damit diese verborgene Energie hervorbrechen kann. Dann eröffnet sich die Möglichkeit, Kohle und Öl durch Atomenergie zu ersetzen, die auch zur wichtigsten Antriebskraft wird. Das ist keineswegs eine hoffnungslose Aufgabe. Was für Aussichten eröffnen sich uns! Schon dies gibt uns das Recht zu erklären, daß sich das wissenschaftliche und technische Denken einem großen Wendepunkt nähern, daß die revolutionäre Epoche in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft auch eine revolutionäre Epoche im Bereich der Erkenntnis der Materie und ihrer Beherrschung sein wird. Vor der befreiten Menschheit werden sich unbegrenzte technische Möglichkeiten auftun.

Leo Trotzki, Radioaktivität und Materialismus, 1923

Austreibung Trotzkis

Hanns Graaf

I

Was noch
Gilt der Ausgewiesne, der
Prophet dem weitren
Russland?

Postenwechsel an der
Frostverworfnen
Strecke. Unterm
Schnee stockt das
Oktoberlaub.

An der Böschung
Wachsen Reste von
Konserven. Drum
Schmarotzer raufen sich:
Die Krähen. Im Dickicht
Schnürt abseits der
Rotfuchs.

Um nicht
Einzufrieren,
Dampft die Rostlok
Hin und her
Auf totem
Gleis.

Frostzerknirschte
Wachen draußen. Drinnen
Lew, mit Grippe, spielt alleine
Schach.

Moskau bringt sich um
Die Türme. Bauernopfer.
Winkelzüge, die
Rochaden.

Draußen
Donnert es: Mein
Panzerzug!
Ihm glüht der
Kopf. Kein Wasser? Ist auch das
Versiegt.

Und ich, in dem
Verdammten Zuge,
Ich bin nicht am
Zug!

II

An den Rand getrieben
Triffst Du mich,
Odessa,
Wieder.

Meine Schule.
Klassen, die ich
Durchging. Zirkelarbeit,
Das Theater. Einem
Zuckt die illegale
Hand zum Gruß.

ILJITSCH liegt
Vertäut. Da tönt die
Pfeife. Stalin lässt
Abdampfen. Abfuhr ins
Schwarzmeer
Vergessen.

Kalte Krim.
Erblasste Küste. Brüder,
Unser Land treibt
Ab.

Verschollne
Wogen. Hinter uns die
Rinne, wie sie
Zufriert!

Doch,
Wo immer ich
Hinfahre, fahre ich
Fort.

Anmerkung:

Im Januar 1929 wurde Leo Trotzki von Stalin des Landes verwiesen. Während man überlegte, wie seine Vertreibung ohne Aufsehen erfolgen könnte, wartete der Zug, der Trotzki nach Odessa brachte, auf der abgelegenen Station Rjaschk. Von Odessa, wo Trotzki seine Jugend verlebte, wurde er mit dem Dampfer ILJITSCH in die Türkei gebracht. Vgl. Trotzkis Autobiographie „Mein Leben“.