Ist die SPD noch eine Arbeiterpartei? (Teil 1/2)

Hanns Graaf

Einige linke Organisationen meinen, die SPD sei inzwischen eine rein bürgerliche Partei geworden, andere – v.a. trotzkistischer Provenienz – halten sie nach wie vor für eine bürgerliche Arbeiterpartei. Diese sei einerseits dadurch gekennzeichnet, dass sie strukturell mit der Arbeiterklasse verbunden wäre, andererseits sei sie hinsichtlich ihrer Politik, Führung und Programmatik eine bürgerliche Partei wie etwa auch die CDU oder die Grünen. Dieser Beitrag geht der Frage nach, was der Klassencharakter der SPD ist, was sie mit anderen bürgerlichen Parteien gemeinsam hat, was sie von ihnen unterscheidet und welche Veränderungen sich seit ihrer Gründung in Gotha 1875 bis heute vollzogen haben.

„Ist die SPD noch eine Arbeiterpartei? (Teil 1/2)“ weiterlesen

Weimar in Thüringen

Hannah Behrendt

Nachdem CDU und FDP gemeinsam mit der AfD einen neuen Ministerpräsidenten für Thüringen anstatt das Linskpartei-Kandidaten Ramelow gewählt hatten, war die Aufregung groß. Völlig zurecht wurde dieses Manöver der Parteien der „bürgerlichen Mitte“ von Vielen kritisiert. Noch wichtiger aber war, dass sofort spontan Menschen auf die Straße gingen, um gegen den FDP-Ministerpräsidenten von Gnaden der AfD zu protestieren und ihren Unmut über die Kungelei mit der Partei des Rechtsaußen Höcke kund zu tun. Immerhin haben der politische Druck und die Proteste dafür gesorgt, dass Kemmerling zurücktrat.

„Weimar in Thüringen“ weiterlesen

Die SPD und die GroKo

Hanns Graaf

Nach den jahrelangen Debatten über das Verhältnis der SPD zur Großen Koalition schien sich mit der Wahl der neuen Parteivorsitzenden eine Lösung anzubahnen. Doch wie so oft bei der SPD kam es wieder einmal ganz anders. Zwar hatte sich die monatelange Kandidatenkür v.a. um Verbleib oder Ausstieg aus der GroKo gedreht, doch mit der Wahl des neuen Führungsduos Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ist nun alles genauso unklar wie zuvor.

„Die SPD und die GroKo“ weiterlesen

Die Häuser denen, die drin wohnen!

Kommt am 3. Oktober, 13.00 Uhr, zum Berliner Congress Center (neben Alexa)!

Redaktion Aufruhrgebiet

Am 3.10. führt das Bündnis „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ die nächste Mobilisierung durch. Es ist hat bereits Einiges erreicht. In Berlin wurden nicht nur 77.000 Unterschriften gesammelt und große Demonstrationen organisiert. Viel wichtiger ist, dass Hunderttausende aktiv geworden sind, um sich gegen Mietwucher und Wohnungsnot zu wehren. Und nicht zu vergessen: seit langem wurde die Frage der Enteignung von Privateigentum wieder zu einem breit diskutierten Thema.

Der so entstandene politische Druck hat auch dazu beigetragen, dass die Politik reagieren musste und verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, um die Wohnungsmisere zu mildern. Dazu gehören der forcierte Bau von Wohnungen, darunter v.a. in den niedrigeren Preissegmenten, oder der Mietendeckel. Doch all diese Maßnahmen kommen zu spät und sind zu inkonsequent, um das Problem wirklich zu lösen. Allein schon die Tatsache, dass die Wohnungsmisere sich über viele Jahre derart aufschaukeln konnte, zeigt, dass der Staat bzw. die Kommunen unfähig sind, Probleme adäquat zu erkennen oder gar zu lösen.

In Berlin ist das besonders gut zu beobachten. Da wurde es zugelassen, dass das Tempelhofer Feld (ehemals Flughafen) nicht bebaut wird; da wurde der Wohnungsbau durch abstruse Vorschriften und eine träge Verwaltung gebremst und nicht zuletzt war es der rot/rote Senat, der viele städtische Wohnungen zu Schleuderpreisen privatisiert hat, was Immobilienkonzernen wie Deutsche Wohnen überhaupt erst ermöglicht hat, in Berlin immense Gewinne auf Kosten der MieterInnen zu machen.

Die Forderungen der Bewegung, Deutsche Wohnen u.a Immobilienkonzerne zu enteignen, sind daher völlig richtig. Allerdings macht eine Enteignung nur Sinn, wenn sie nicht mit hohen Entschädigungszahlungen an die Konzerne verbunden ist, denn dieses Geld würde dann für den notwendigen Wohnungsneubau u.a. kommunale Aufgaben fehlen. Die richtige Losung kann daher nur die einer entschädigungslosen Enteignung sein.
Das wirft aber nur die nächste Frage auf: Wem sollen die Häuser gehören? Selbst den linkesten Unterstützern des Bündnisses „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, etwa der Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) (http://arbeiterinnenmacht.de/2019/09/26/deutsche-wohnen-und-co-enteignen-entschaedigungslos/), fällt dazu wenig ein. Sie treten für eine Kommunalisierung ein – allerdings verbunden damit, dass es ausgeweitete Kontrollbefugnisse für MieterInnen und ihre Strukturen (Mieterkomitees) geben soll. Die GAM schreibt dazu: „es geht auch darum, wer (…) kontrolliert. Die Senatsverwaltung oder MieterInnenkomitees und Gewerkschaften der in Wohnungsbau, Instandhaltung und Verwaltung Tätigen?

Außerdem erfordert Kontrolle auch die Offenlegung aller Geschäftsbücher, Bilanzen, Konten, Transaktionen, Verträge oder Planungsvorhaben der Immobilienkonzerne. Deren „Geschäftsgeheimnis“ erweist sich in der Praxis als Geheimniskrämerei gegenüber den MieterInnen und der Öffentlichkeit.
Diese Maßnahmen würden zugleich die Frage zuspitzen, wer eigentlich über den Wohnungsbau, Mietpreise, Bauvorhaben, Planung … entscheidet – die EigentümerInnen und der Staat (die Stadt Berlin) oder die MieterInnen und VertreterInnen der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften?“

Das klingt gut, doch der zentralen Frage – der des Eigentums – weicht die GAM aus. Trotz aller Kontrolle und Mitsprache sollen die Wohnungen Eigentum der Kommune, also des bürgerlichen Staates, bleiben. Es ist ganz klar, dass dieser Staat, wie die GAM ja auch selbst betont, dem Bau- und Immobilienkapital und der bürgerlichen Gesetzlichkeit verpflichtet ist. Über kurz oder lang müssen aber die entgegengesetzten Interessen der BewohnerInnen einerseits und die des Staates und des Kapitals andererseits aufeinander prallen. Zudem ist der bürokratische Staat – wie die Erfahrungen zeigen – oft unfähig, Probleme rational und im Interesse der Mehrheit zu lösen.
Ganz anders als es die GAM vorschlägt, müsste gefordert werden, dass die Immobilien denen gehören sollen, die darin wohnen. Das heißt: Kollektiveigentum und Genossenschaften. Mit letzteren ist jedoch nicht dasselbe gemeint wie die jetzigen kommunalen Wohnungsbaugenossenschaften bzw. -gesellschaften, sondern wirklich gemeinschaftlich und demokratisch verwaltete Strukturen. Gerade in Berlin gibt es viele Beispiele, dass solche gemeinschaftlichen Wohnformen auch gut funktionieren.

Die Frage der Ziele und Forderungen ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere, genauso wichtige, ist die Frage, wie die Bewegung weiter aufgebaut und noch schlagkräftiger werden kann.

Dazu gibt die GAM eine Orientierung, der wir zustimmen können: „Die aktuelle Hinhaltepolitik beim Mietendeckel, das Verzögern des Volksentscheides durch den Innensenator verdeutlichen auch, dass sich das Volksbegehren darauf einstellen muss, dass es in den nächsten Monaten auf vielfältige rechtliche und andere Hürden treffen wird. Selbst im Falle eines klaren Mehrheitsentscheids der Bevölkerung wäre es noch nicht rechtsverbindlich.

Es braucht daher eine Strategie der Mobilisierung, die den Kampf um die Enteignung in die Wohnviertel trägt, in die Gewerkschaften und Betriebe, um MieterInnenkomitees zu gründen, die auch andere Kampfmittel und Taktiken verfolgen können – so z. B. massenhaften und organisierten Mietboykott, politische Streiks, um Druck für Enteignung (oder auch einen wirksamen Mietdeckel) zu machen. Und es bedarf auch der bundesweiten Vernetzung und Koordinierung mit anderen MieterInneninitiativen und -verbünden.“

Ergänzend dazu schlagen wir die Vorbereitung eines bundesweiten MieterInnenkongresses vor, der einen wohnungspolitischen Forderungskatalog erarbeitet, die diversen örtlichen Initiativen verbindet und einen Aktionsplan beschließt. Das wäre eine Aufgabe der gesamten linken Szene, die damit auch einen konkreten Schritt gehen würde, um ihre politische und organisatorische Kooperation zu verbessern.

Die Redaktion Aufruhrgebiet ruft Euch auf:

Kommt am 3. Oktober, 13.00 Uhr, zum Berliner Congress Center (neben Alexa)!

Der Staat als Retter?

Paul Pfundt

Die Forderung der Berliner MieterInnenbewegung zur Enteignung von Deutsche Wohnen u.a. Immobilien-Konzernen hat schon jetzt eine positive Wirkung: die Eigentumsfrage ist nicht mehr tabu. Im Gegenteil: fast im Wochentakt tauchen nun ähnliche Forderungen auf. Den Anfang machte der SPD-Linke Kevin Kühnert, der laut darüber nachdachte, BMW zu vergesellschaften. Ob es ihm damit besonders ernst ist, d.h. inwieweit er für diese Stoßrichtung einen politischen Kampf in der SPD führen wird, darf allerdings bezweifelt werden. Immerhin hat er aber seinen Vorstoß nicht sofort dementiert, wie meist bei SPD-Linken, die episodisch links blinken, üblich, sondern er hat seine Position wiederholt verteidigt. Was die SPD (von anderen Parteien gar nicht zu reden) unbedingt vermeiden will, ist, über das Privateigentum an Produktionsmitteln zu reden, der Heiligen Kuh des Kapitalismus.

„Der Staat als Retter?“ weiterlesen

Pflege und Staat

Hannah Behrendt

Seit Jahren ist die Pflege alter und kranker Menschen im Fokus von Politik und Medien. Die Mängel im Pflegebereich – für PatientInnen, Angehörige und Beschäftigte – haben sich inzwischen zu einem ganzen Berg von Problemen summiert – und das, obwohl die Politik mindestens seit der Jahrhundertwende vom demografischen Wandel, d.h. des steigenden Anteils Älterer, die für Krankheiten und Betreuung besonders relevant sind, schwadroniert.

„Pflege und Staat“ weiterlesen

Freiheit für Carola Rackete!

Redaktion Aufruhrgebiet

Am 29.6. wurde auf der italienischen Insel Lampedusa Carola Rackete, Kapitänin der Sea Watch 3, festgenommen. Anlass dafür war, dass ihr verweigert wurde, die 40 aus der Seenot geretteten Flüchtlinge an Land zu bringen und dafür einen Hafen anzulaufen. Die Rettung der 40 MigrantInnen war lt. internationalem Seerecht – von den Geboten der Menschlichkeit ganz abgesehen – eine Pflicht für die Kapitänin. M.a.W.: es wäre im Sinne des italienischen Innenministers Salvini gewesen, diese 40 Menschen dem Tod durch Ertrinken auszuliefern. Das ist die „Humanität“ der EU bzw. ihrer politisch Verantwortlichen. Denn es handelt sich hier nicht etwa nur um das Vorgehen Salvinis oder der rechts- konservativen Regierung Italiens, sondern um die offizielle Politik der EU, die schon vor Monaten ihr Seenotrettungsprogramm eingestellt hat.
Natürlich meldete sich auch der dt. Außenminister Heiko Maas (SPD) zu Wort: „Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden“. Recht hat er. Wir fragen uns nur, wie man so heuchlerisch sein kann, denn auch Deutschland und die SPD haben seit Jahren diese Politik der Abschottung gegen Flüchtlinge vorangetrieben. Die gesamte deutsche Politik – mit einigen Einschränkungen bezüglich der Grünen und der Linkspartei – hat diese Politik mitgetragen. Sie stellen nur deren „linke“ Flanke dar, während die AfD deren rechte, besonders rassistische Flanke bildet.
Wie fordern: Sofortige Freilassung von Carola Rackete und Aufhebung aller Anklagen gegen sie!

Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, wäre es aktuell nötig, z.B. vor den diplomatischen Vertretungen Italiens Proteste durchzuführen und eine europaweite Protestaktion zu initiieren. Sind die Linke und die Arbeiterbewegung dazu in der Lage? Wahrscheinlich nicht. Das verweist erneut darauf, wie dringlich es ist, dass die „radikale Linke“ ihre Zersplitterung überwindet und effektivere Strukturen schafft, die dazu in der Lage sind! Damit wäre ihre tiefe politische Degeneration nicht überwunden, doch es wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Ein Offener Brief und seine Folgen

Redaktion Aufruhrgebiet

In den vergangenen Wochen haben wir zwei Offene Briefe zu den Themen „Klimapolitik“ und „Energiewende“ an linke Organisationen und Individuen verschickt. Damit wollten wir eine gründlichere Beschäftigung und eine Diskussion zu diesen Themen in der „radikalen Linken“ anregen. Bei unserer mehrjährigen intensiven Beschäftigung mit diesen Themen, die sich auch in vielen Artikeln auf dieser Seite und in zwei Broschüren niederschlug, mussten wir leider feststellen, dass die linke Szene fast jede fachliche Recherche und genauere wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Fragen verabsäumt hat. Das lässt sich anhand der Artikel und Publikationen der linken Organisationen leicht belegen.

„Ein Offener Brief und seine Folgen“ weiterlesen