Mit der Oktoberrevolution war 1917 in Russland der erste Arbeiterstaat der Welt entstanden. Die regierenden Bolschewiki um ihre wichtigsten Führer Lenin und Trotzki sahen die Revolution in Russland als Teil des weltrevolutionären Prozesses. Doch dieser blieb stecken, weil die Revolutionen in anderen Ländern v.a. mangels potenter revolutionärer Führungen scheiterten. Der revolutionären Periode folgte ab 1923/24 eine Phase der relativen Stabilisierung des Kapitalismus. Die UdSSR blieb isoliert. Den Kommunisten stellte sich nun die Frage, wie die Beziehungen zwischen einem einzelnen Arbeiterstaat und seinem Umfeld aus kapitalistischen Ländern gestaltet werden musste.
Lenin, die Bolschewiki und die Kommunistische Internationale (Komintern) entwickelten das Konzept der „Friedlichen Koexistenz“. Es kristallisierte sich erst nach heftigen Konflikten in der bolschewistischen Partei heraus. So gab es eine starke Fraktion, die „Linkskommunisten“ um Bucharin u.a., die sich 1918 gegen den „Brester Frieden“ mit den Mittelmächten wandten und für die Fortsetzung eines revolutionären Krieges eintraten, während Lenin völlig richtig für einen Friedensschluss – als Atempause – eintrat, weil Sowjetrussland für eine Weiterführung des Krieges zu erschöpft war.
Das Konzept der „Friedlichen Koexistenz“ sah vor, dass zwischen Ländern unterschiedlicher Gesellschaftsordnung „normale“, gleichberechtigte wirtschaftliche Beziehungen hergestellt werden sollten. Diese Koexistenz bezog sich aber nicht auf Ideologie und Politik. Der Arbeiterstaat würde – genau wie sein kapitalistischer Gegner – nicht aufhören, das gegnerische System zu kritisieren und zu bekämpfen. Ein Arbeiterstaat würde alles tun, um überall revolutionäre Organisationen und Arbeiterkämpfe zu unterstützen und den Sturz des Kapitalismus voran zu treiben. Insofern ist die Taktik der „Friedlichen Koexistenz“ keine Neutralitäts-Politik, sondern Teil einer revolutionären Strategie. Lenin betonte mehrfach, dass die Politik der „Friedlichen Koexistenz“ ein Verhältnis zwischen einzelnen Staaten ist, die für eine bestimmte Phase gilt, aber kein Verhältnis zwischen zwei antagonistischen Gesellschaftssystemen.
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